Manchmal gibt es Sachen, da hört man von und man denkt sich: Das muss ich unbedingt mal machen.

Die Umrundung von Fehmarn mit dem Rad von Hamburg aus ist sowas zum Beispiel. Deshalb war es auch keine wirkliche Entscheidung die lange Strecke beim Holy Gravel zu wählen. Anstatt die verkürzte Strecke ohne die Umrundung von Fehmarn.

Bikepacking-Tour oder Selbstversorger Fahrt, was ist das?

 Es gibt einen Track den man fahren sollte. Abkürzung sind nicht erlaubt, außer wenn es nicht anders geht. Weil z.B. die Strecke gesperrt ist.
Wenn man den Track verlässt um einzukaufen oder eine Übernachtung ansteuert, sollte man den Track dort fortsetzen wo man ihn verlassen hat. Unterkünfte dürfen benutzt werden aber nicht vorgebucht werden. Hilfe von außen darf angenommen werden, wenn sie allen Teilnehmern zu Verfügung steht. Es gibt aber keine Kontrolle.
Es gibt kein Startgeld, häufig wird aber eine Spende für eine gemeinnützige Organisation gewünscht. Beim Holy Gravel war es der Mitternachtsbus für Obdachlose.
Es ist keine Rennen, es gibt keine Siegerehrung. Es gibt in der Regel auch keine Wertung.
Aber es gibt oft ein Tracking wo man sich und die anderen Teilnehmer online verfolgen kann, und sehen kann wer vor einem ist.
Noch ist es sauber und alles funktioniert perfekt

Mittwoch:

Ankunft in Hamburg am Mittwoch gegen 22:00 Uhr, weil wieder mal irgendwas die Deutsche Bahn aufhielt.
Auf Entenwerder mit dem Biwaksack (Bivyi) übernachtet. Hatte gefroren und ich auch.
Kurz am Lagerfeuer mit einem Bier und ein paar weiteren Teilnehmern aufgewärmt, dann ging es in den Schlafsack.

Donnerstag:

Morgens herrliches Wetter aber immer noch sehr kalt. Start um 7:30. Über 100 Teilnehmer. Kurze Ansprache des Organisators Bernd und los ging es. Wie fast immer bei solchen Events sehr gesittet und rücksichtsvoll. Es ist ja kein Rennen 😀

Es ging in östlicher Richtung nach Mölln, vorbei an vielen Seen und herrlicher Landschaft. Nun entdeckte ich auch Michael, mit dem ich schon bei der Brandenburg 550 zusammengefahren bin. Weiter über Ratzeburg und an Lübeck vorbei. In Lübeck überqueren wir die Trave, dort gibt es den Herrentunnel der nicht mit dem Rad befahren werden darf. Es gibt aber einen kostenlosen Bustransfer. Eine willkommene Abwechslung um sich etwas auszuruhen und um sich zu verpflegen.
Im Bus traf ich auf weitere Mitfahrer, unter anderen Brita und Turbo Tobi, zusammen setzen wir die Fahrt fort.
Bei Neustadt dann eine Rast bei Mac Donalds. Mittlerweile war es dunkel und wir fuhren zu viert in Richtung Fehmarn. Britta wollte die kurze Runde fahren. Kurz vor der Fehmarnsundbrücke gibt es eine Tankstelle, dort konnten wir uns nochmals eindecken. Der Pächter, selbst ein begeisterter Radfahrer begrüßte uns mit den Worten: Ihr seid aber spät dran!
Vor uns waren nämlich unter anderen Gerald, ein Langstreckentier, vorbeigekommen.
Auf einem Campingplatz,der zurzeit geschlossen ist, richteten wir dann unser Nachtlager ein. Wir verabredeten morgens um sechs aufzustehen und gegen halb sieben weiter zu fahren. Einen Wecker stellte ich mir nicht, da ich sowieso immer früh wach werde.

Strecke: 246Km, reine Fahrzeit: 13:00 Stunden, Höhenmeter: 1345

Tour bei Komoot

Freitag:

Gegen halb sieben am Morgen drangen dann Stimmen in meinen Schlaf, Olaf wir sind dann soweit! Du wolltest länger schlafen?
Habe voll verpennt, also schnell zusammen gepackt und dann alleine weiter. In der Gruppe zu fahren macht sehr viel Spaß, aber trotzdem genieße ich das alleine fahren auch immer sehr. Man kann einfach mal anhalten und die Landschaft genießen, oder Fotos machen.
Trocken war es auch, und auch deutlich wärmer. Also die dicken Klamotten verstauen. Unterwegs kam ich auch noch an einer öffentlichen Toilette vorbei wo ich mich noch etwas frischmachen konnte.
Nun ging der Track einmal um Fehmarn rum, meistens direkt an der Steilküste und fast immer mit Blickkontakt zum Meer. Eine herrliche Strecke, immer den Geruch nach Salz in der Nase und der Wind kam sogar überwiegend von hinten. Noch jedenfalls.
Vorbei an Puttgarden und dann am Leuchtturm Westermarkeldorf vorbei. Hier änderte sich die Richtung und damit auch der Wind. Erst kräftiger Seitenwind und dann später heftiger Gegenwind. Die Kiter freuen sich, ich kämpfe mit 12 Km/h gegen den Wind.
Auf der Fehmarnsundbrücke bin ich froh über das stabile Geländer. Der kräftige Seitenwind will mich wohl gerne von der Brücke ins Meer pusten.
Wieder auf dem Festland kurzer Stopp bei Edeka um die Vorräte aufzustocken. Auf dem Parkplatz steht auch ein Fischbrötchen Verkäufer. Also noch schnell ein leckeres Lachsbrötchen, muss man ja machen, wenn man schon hier an der Küste ist.
Hier quatscht mich ein älterer Herr an, er wäre früher auch viel mit dem Rad unterwegs gewesen. Und hätte auch draußen geschlafen, heute würde er sich das aber nicht mehr trauen. Zu viel schlechte Menschen, sowieso zu viele Menschen überhaupt. Und Greta und die Leute von Greenpeace würden auch mit dicken Mercedes fahren und und und. Ich sah zu das ich schleunigst wegkam…Die Strecke führte nun nicht mehr am Meer lang sondern auf Wirtschaftswegen, Radwegen und Nebenstraßen.
Irgendwann fing an zu regnen und ich überlegte gerade die Regensachen anzuziehen. Und traf wieder auf Michael der das gerade tat. So fuhren wir wieder zusammen durch den Regen. Die Wege wurden immer aufgeweichter und rutschiger. Mit dem Vittoria Terreno hatte ich den passenden Reifen aufgezogen. Auf der Lauffläche null Profil und nur auf der Flanke ein paar Stollen. Ideal für diese Bedingungen. 😀
So fuhren und rutschten wir weiter bis Kiel. Vorbei an vielen Seen und trotz des Regens wunderschöner Landschaft. In Kiel kehrten wir bei einem Dönerladen ein. Die Bedienung erlaubte uns sogar, dass wir die Räder mit reinnehmen durften. Michael beschloss die Strecke etwas abzukürzen, weil er nicht so spät zurück sein wollte. Ich hatte überhaupt keine Lust auf biwakieren im Regen und buchte spontan ein Zimmer.

Morgens auf Fehmarn

Strecke: 159Km, reine Fahrzeit: 8:38 Stunden, Höhenmeter: 950
Tour bei Komoot

Samstag:

Morgen um 5 Uhr begrüßte mich der Tag mit Regen. Also gleich die komplette Regenausrüstung an und um halb sechs dann los. Die Strecke führte wieder zur Küste. Vom Bülker Leuchtturm ein Trail direkt an der Steilküste. Teilweise war der alte Weg schon dem Meer zum Opfer gefallen und ein neuer Weg führte etwas abseits der Steilküste. Einerseits sehr schön, anderseits auch sehr zermürbend, weil man einfach nicht vorwärtskam.
Irgendwann führte der Track dann plötzlich auf eine dicke Hauptstraße mit glatten Radweg. Normalerweise finde ich das öde, nun aber freute ich mich kindisch über diesen Radweg. Es rollte wunderbar, immer in Aeroposition und Gas geben!
Einige Kilometer später sah ich auf dem Garmin das der Track nach rechts abzweigte. Kurz vor Eckernförde wo ich endlich frühstücken wollte. Der Track führte an die Küste um später wieder auf die Hauptstraße zu kommen. Ich überlegte tatsächlich einfach weiter geradeaus zu fahren. Aber nein, der Track ist der Track ist der Track! Also runter von der Hauptstraße und es kam wie es kommen musste. Erst Trail dann Sand und schieben.
Plötzlich versperrte mir ein Elektrozaun die Weiterfahrt. Das Radwegschild zeigte aber eindeutig hinter den Zaun. Also vorsichtig rüber, der Zaun war tatsächlich scharf! Aua!
Dahinter dann etwas fahren meistens jedoch schieben, und dann war ich mitten in einer Schafherde! Und richtig, wieder über den Zaun. Diesmal vorsichtiger ohne Aua.  
In Eckernförde dann endlich ein Rewe mit Bäcker. Kurze Zeit später trafen dort auch noch einige andere Graveller ein. So viele Möglichkeiten zum Frühstücken gibt es hier nicht.
Ich hatte mir so grob vorgenommen die Tour in drei Tagen zu schaffen. Also zweimal 250Km und am letzten Tag dann „nur“ noch 200km. Gefahren bin ich bisher aber nur 400Km. Fehlten also noch 300km! Also entweder noch eine Übernachtung, worauf ich im Regen aber keine Lust hatte, oder durchfahren! Ich endschied mich für letzteres, zumal es auch recht gut lief. Meine Beine waren frisch und mental war ich auch gut drauf. Dann komme ich eben so irgendwann in der Nacht in Hamburg an. Der Rest der Strecke dürfte ja nicht mehr so schlimm sein. Dachte ich bis hier noch.
Hoch auf den Heidberg mit 99 Meter Höhe, hier schon ein echter Berg. Oft fuhr ich auf dem 46er Kettenblatt. Vorne einfach mit 42 Zähnen. Und das hier, hier gibt es doch eigentlich keine Berge!
Die Wege und Trails wurden zunehmend schlammiger und teilweise auch technisch. Nochmal wurde es alpin, der Aschberg mit 98 Metern und einer großen Aussichtsplatform.
Später dann eine herrliche Rollerstrecke entlang des Nord-Ostsee-Kanal und Überfahrt mit der kostenlosen Fähre.
Mittlerweile war das Rad unter eine festen Schlammschickt verborgen und die Schaltung machte Geräusche wie wenn man eine volle Werkzeugkiste schüttelt. Die Gänge ließen sich auch nur noch mit viel Nachdruck schalten.
Irgendwie musste der Schlamm ab. Die Rettung war dann ein Friedhof mit Wasserschlauch. Nach der Fahrradreinigung und auffüllen der Trinkflachen ging es weiter. Inzwischen war es wieder dunkel geworden.Langsam wurde es zäh. In einer Bushaltestelle irgendwo im Nirgendwo aß ich etwas von meiner Verpflegung.
Weiter durch unendlich weite Wälder, ich wusste gar nicht, dass es hier so große Wälder gibt. Häufig auf Wirtschaftswegen mit zwei betonierten Fahrstreifen. Gut zu fahren, aber die erforderten auch große Aufmerksamkeit, weil die Streifen mit fortschreitender Nacht immer schmaler wurden. Und wenn die Müdigkeit immer größer wurde, und man komische Tiere sah, rutschte man mal kurz von den Streifen ab. Fast ein Sturz aber wieder hellwach!
Irgendwann fährt man wie im Tunnel, dunkle Waldwege, immer wieder durch Matschlöcher schieben und öfters mal ein paar sehr laute Kraftausdrücke in den Wald geschrien. Gut das ich alleine war.

Das Garmin habe ich mittlerweile auf die Anzeige der Restkilometer umgestellt. Zu Anfang mache ich das nicht. Es würde mich mental überfordern, wenn ich sehe das noch 700Km zu fahren sind. Trotzdem musste ich mich zwingen nicht alle paar Minuten auf die Restkilometer zu starren.
50Km, 45Km, 40Km, Snickers essen, Mars essen, Katjes essen, ich muss mich wundern wie viel Süßes man essen kann ohne das einem schlecht wird.
Dann ein Schild auf dem Radweg, Brückenarbeiten Radweg gesperrt, Umleitung hier lang. Aber einen Umweg? Noch mehr Kilometer? Niemals, so schlimm kann es ja nicht sein. Nach 2 Kilometern gab es dann die Brückenarbeiten, aber keine Brücke mehr! Zum Glück war der Bach nicht sehr breit, nur war die Böschung relativ steil und rutschig. Aber irgendwie ging es dann doch. Natürlich begleitet von einigen lauten Flüchen.
Langsam näherte ich mich Hamburg, aber leichter wurde es trotzdem nicht. Denn anstatt und direkt zum Waseberg zu fahren, durften wir noch den Waldpark Marienhöhe mit seinen Trails und Höhenmetern kennen lernen. Danke Bernd!
Der Waseberg dürfte Radsportkennern bekannt sein. Die Profis dürfen bei den Cyclassics Hamburg drüberfahren. Wir durften auch, nur fahren ging nicht mehr. Dort überholte mich ein Auto. Was der sich gedacht hat, als er mich Sonntag kurz vor sechs hier hochschiebend, gesehen hat, möchte ich gar nicht wissen. Oder, wahrscheinlich weiß ich es schon.
Um Punkt sechs Uhr dann endlich Ankunft am Bismarckstein. 700Km in unter 3 Tagen, mit teilweise heftigen Regen und klirrender Kälte und einer durchaus anspruchsvollen Strecke. Etwas stolz war ich da schon!

Endlich Frühstück!
Heidberg 99m
Bismark Standbild auf dem Aschberg
Nord-Ostsee-Kanal
Fähre
Irgendwo
Strecke: 300Km, reine Fahrzeit: 19:42 Stunden, Höhenmeter: 1764
Tour bei Komoot

Vielen Dank an Bernd für die Organisation und die Ausarbeitung des Tracks! Und an Harald für das Einrichten des Trackings.

Und viele Grüße an die Mitfahrer mit denen ich einige Kilometer zusammen gefahren bin aber leider die Namen vergessen habe.

Die Spendenaktion hat 2868 Euro für den Mitternachtsbus der Diakonie gebracht, eine tolle Sache!

 

Kategorien: Allgemein

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