Transcimbrica 2020, einmal Skagen und zurück

Einmal um Fehmarn mit dem Rad habe ich erledigt. Das war die Holy Gravel. Also mussten neue Ziele her, und was lag näher als mit dem Rad von Hamburg nach Skagen und wieder zurück.
Natürlich nicht im Sommer, das kann jeder, sondern Anfang März.

Das Ganze nennt sich Transcimbrica weil so der Teil Dänemarks zwischen Ostsee und Nordsee heißt. Die Kimbrische Halbinsel.
Samstag um 0:01 ging es vom Cafe Timeless in Blankenese los. Geschätzt 70 Verrückte Bikepacker machten sich auf den Weg durch die Nacht.
Da ich gleich mit den ersten losfuhr befand ich mich ziemlich schnell in einer ebenso schnellen Gruppe. Eigentlich war mir das Tempo zu hoch, aber als ich mich irgendwann umschaute war da keiner mehr. Also entweder dranbleiben oder ganz allein durch die Nacht.
Durch leichten Rücken- und Seitenwind zeigte der Tacho immer über 30Km/h an, auch auf den Schotterwegen. Einzelne Schlammpassagen wurden gemeistert und jegliche Gefahrenpunkte wurden früh genug vom Vordermann angezeigt.
Einer fuhr sehr oft vorne im Wind, wenn abgewechselt wurde dauerte es nicht lange und Björn fuhr wieder lange vorne. Und zwar in einem Tempo wo ich überhaupt nicht mehr an Führungsarbeit denken wollte. Irgendwann kam es dann wie es kommen musste, Björn fuhr alleine vorne raus. Wir haben ihn nicht mehr gesehen. Außer seinen Avatar auf der Trackingseite.
Von den verbleibenden kannte ich nur Gerald, ja genau, der schnelle Gerald. Er wollte es dieses Jahr etwas ruhiger angehen nach seinem dreitägigen Husarenritt letztes Jahr.
Der erste Fotopoint wurde passiert und es gab Trailmagic in Form von Würstchen, heißer Suppe und diversen Leckereien. Vielen Dank nochmals dafür!
Plötzlich war Gerald weg, ich hielt an um zu schauen ob etwas passiert war. Gerald saß ich einer Bushaltestelle und meinte er brauche eine kurze Auszeit. Zwei weitere Fahrer wollten auch Pause machen und wir fuhren zu zweit weiter.
Aber nicht lange da hatte Gerald uns wieder eingeholt und es ging weiter über Husum nach Dänemark. Die Grenze habe ich gar nicht bemerkt, mittlerweile hatte ich auch ordentlich Hunger und konnte in einem Supermarkt endlich etwas zum Frühstücken besorgen.
In Esbjerg hat Gerald mit einem Mitfahrer dann eine Pause gemacht und ich überholte ihn wieder. Da er aber ein höheres Tempo fuhr dauerte es nicht lange und er hatte mich wieder eingeholt. Dieses Spiel wiederholte sich dann noch einige Male bis Gerald dann ein Shelter bezog. Ich fuhr noch einige Kilometer weiter und fand dann gegen 22:00 Uhr einen schönen Shelter mit Toilette und fließend Wasser.
An diesem Tag fuhr ich insgesamt 474Km in 18:40 Stunden. Nicht schlecht für den ersten Tag.

Nach einer erholsamen Nacht ging es dann gegen 6 Uhr weiter. Der zweite Fotopoint war die Oddesund Brücke, dort war es extrem stürmisch.
Irgendwann kam auch Gerald wieder an mir vorbeigezogen. Und wieder das gleiche Spiel, er machte dann in Ruhe eine Pause beim Bäcker und ich fuhr weiter. Und er holte mich natürlich wieder ein.
Bis hier lief es super bei mir, doch dann begann so langsam das Drama. Ich hatte schon vorher ab und zu ein Loch in den Reifen. Dank Dichtmilch war das aber kein Problem, kurz anhalten, das Loch nach unten positionieren und warten bis die Dichtmilch ihre Arbeit tat. Und das tat sich auch recht zuverlässig. Nur irgendwann war einfach nicht mehr genug Milch im Reifen. Ich verlor immer mehr Luftdruck und musste etwas machen. Also eine windgeschützte Stelle gesucht und geschaut was zu machen ist. Zwei Druckluftkartuschen und ein fast vereister Finger später dann die Erkenntnis, mit Milch geht’s nicht so richtig weiter. Also Schlauch rein und pumpen.
Wieder zurück auf den Track traf ich dann auf Josh und Bert. Sehr schön, die beiden fuhren mein Tempo und so ging es weiter bis zum dritten Fotopoint.
 Das war der Leuchtturm Rubjerg Knude, der Leuchtturm wurde vom Strand weg ins Landesinnere versetzt, da er drohte vom Meer verschlungen zu werden. Er steht auf einer riesigen Wanderdüne die jedes Jahr etwas mehr vom Land verschlingt.
Ich bin nicht so dick, das ist der Wind!

Bei Uggerby hatten wir und alle anderen enorme Schwierigkeiten da der Track über eine Brücke führen sollte die es aber nicht mehr gab. Also mehrere Kilometer zurück und dann weiter. So kamen wir dann irgendwann mit ziemlich großen Hunger in Skagen an. Und sogar ohne weitere Reifenpanne!
In Skagen gab es nicht mehr sehr viel Möglichkeiten etwas zu essen. Nur ein Italiener hatte noch geöffnet. Seine Pizzas gab es aber nur noch zum Mitnehmen. Kein Problem für uns dachten wir, wir holen und die Pizza uns setzen uns ins nächste EC-Hotel (Bank mit Geldautomaten). Nur in Skagen gab es die nicht mehr, es gab nur Geldautomaten draußen!
Mir war so kalt geworden das ich schon zitterte und wir sind zurück zum Italiener. Wir hatten vor, uns einfach in den Eingangsbereich zu setzen, das hätte uns schon gereicht. Der Wirt sah uns aber und meinte nur: come on, sit down. So durften wir doch noch im Lokal im Warmen sitzen. Das war die leckerste Pizza seit langen!

Danach aufs Rad und einmal zur Spitze gefahren. Am Wasser war der Strand tatsächlich so hart, dass man mit dem Rad bis zum Ende fahren konnte. Leider war es dunkel und man konnte das Zusammentreffen von Nord und Ostsee mehr vermuten als sehen.
Wieder zurück nach Skagen und kurz dahinter wollten Bert und Josh ein Shelter beziehen. Ich wollte aber eigentlich die 300 Km heute noch vollmachen. Nach kurzer Diskussion einigten wir uns gemeinsam bis zum nächsten Shelter zu fahren. Der lag auch wunderschön direkt am Meer.
Doch kaum losgefahren ruft Josh hinter mir, dass mein Reifen Milch verliert. Anhalten und warten brachte nichts mehr, das Loch ging nicht zu. Lust auf flicken im Dunkeln hatte ich auch nicht, und gerade waren wir an einem Shelter vorbeigefahren. Ich beschloss also dort zu bleiben während die beiden weiter fuhren.
285 Km in knapp 13 Stunden Fahrzeit für den zweiten Tag.
Nach einer wieder kurzen Nacht dann eine gute Überraschung, der Reifen war dicht! Also losgefahren, die Beine waren wieder super!
Allerdings dauerte es nicht lange dann waren beide Reifen platt. Ok, vorne flicken hinten Schlauch rein und weiter. Nach ein paar Kilometern dann aber wieder wenig Luft. Vielleicht nur nicht genug aufgepumpt? Kurz anhalten, pumpen und weiter.
Doch schon nach kurzer Zeit musste ich einsehen das der Reifen wieder mal ein Loch hatte. Wieder das Gepäck runter, das Laufrad raus und flicken. Aber ich konnte das Loch kaum finden. Irgendwann habe ich das dann gefunden und geflickt. Wieder alles zusammenbauen und weiter. Doch der Reifen war schon wieder platt!
Da war tatsächlich noch ein zweites Loch! Ich könnte kotz..
Also wieder flicken, der vorletzte Flicken weil ich am ersten Tag jemanden vier Flicken geschenkt hatte. Er kam mir irgendwo im Nirgendwo entgegen. Hatte alle seine Flicken aufgebraucht. Ich war zu der Zeit der Meinung mit Tubeless brauche ich sowieso nicht so viele.

Also weiter, natürlich nicht sehr lange. Dann den letzten Flicken verbraucht, und glücklicherweise von Max ein paar geschenkt bekommen. Max hatte ich im Zug nach Hamburg kennengelernt. Und er sollte mir noch eine große Freude bereiten.

So fuhren ein wenig zusammen, allerdings hatte auch er ein etwas höheres Tempo. So war ich dann wieder alleine unterwegs. Nachdem ich mich in einem Supermarkt für den Abend eingedeckt hatte überholte er mich wieder. Hey Olaf, ich habe ein Geschenk für dich! Was für ein Geschenk? Ein Schlauch in 27,5 Zoll, ist doch besser als immer zu flicken!

Max brauchte neue Bremsbeläge und fand schließlich einen Radladen, dort entdeckte er auch den Schlauch und dachte dabei an mich.
Neuer Schlauch ist natürlich besser als flicken, also Schlauch verpackt und weiter. Ich wusste ja das ich ihn bald brauchen würde.
So war es dann auch, Schlauchwechsel ohne Flicken geht deutlich schneller.

Bei der ganzen Flickerei dachte ich mir dann, ich könnte ja auch mal die selbstklebenden Park Tool Flicken ausprobieren. Geschätzt 2 Kilometer weit bin ich gekommen. Feuchtigkeit und selbstklebend verträgt sich nicht.
Einmal lehnte ich das Rad umgedreht an einen Weidezaun. Wird schon kein Strom drauf sein, außerdem passe ich auf. Ging auch fast gut, nur beim Einbau der Steckachse dann doch dagegen gekommen. Nasse Kleidung, nasse Wiese gleich großes Aua! Das tat wirklich verdammt weh! Waren die schon immer so stark?
Ich hatte mir einen Shelter rausgesucht der ein wenig abseits des Tracks lag. Nur der Weg dorthin war völlig verschlammt. Konnte kaum fahren, sondern musste größtenteils schieben. Der Shelter war aber sehr schön, wieder mit Klo.
Den dritten Tag fuhr ich wegen der Flickerei nur 240 Km in 13:42 Stunden.
Morgens dann Regen, und den ganzen Tag änderte sich nur die Intensität des Regens. Mal weniger, mal sehr viel stärker. Meine Motivation war schon etwas angeschlagen.
Abend dann bei Flensburg ein Hotelzimmer gebucht. Der Portier war sehr nett, ich durfte das Rad mit aufs Zimmer nehmen. Er gab mir extra das Handicap Zimmer. Da war ebenerdig mit dem Eingang.
Habe da eine ganz schöne Schweinerei angerichtet, und so gut es ging versucht die Spuren zu beseitigen. Die weißen Handtücher werden bestimmt auch wieder irgendwann sauber.
Dann wollte ich meine Frau anrufen, aber das Handy blieb dunkel. Kein Lebenzeichen mehr, auch nach dem Aufladen. Ich hatte es in der Rahmentasche in einem Plastikbeutel. In der Tasche stand allerding das Wasser. Also wahrscheinlich ertrunken.
Knapp 200 Km in 11:20 Stunden standen auf der Uhr. Wieder gefühlt mehr gestanden als gefahren.
Morgens um halb vier musste ich auf die Toilette. Kurz zum Rad geschaut, und natürlich, platter Reifen. Also aufgestanden, geflickt, zusammengepackt und los. Es waren nur noch etwas mehr als 180 Kilometer bis Hamburg.
Beim Bäcker gefrühstückt und über Festnetz zuhause angerufen damit meine Frau sich keine Sorgen machen muss.
Der letzte Tag war dann noch richtig schön. Blauer Himmel und Sonne pur! Zwar kam der Wind recht kräftig aus Westen aber meine Beine waren wieder gut und ich konnte ordentlich Gas geben. Nach unendlichen Kilometern durch die Vororte von Hamburg dann endlich um 16:05 Uhr Ankunft am Cafe Timeless. Das hatte natürlich noch zu, und ein Foto konnte ich natürlich auch nicht machen. Aber egal, ich habe es geschafft. 1417 Kilometer in 4 Tagen und 16 Stunden. Und das trotz unzähligen Reifenpannen, Gegenwind, Kälte und Regen.
Vielen Dank an Thees und Stefan für die Orga, und an das Team der super Verpflegungsstelle an der Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal.
Kategorien: Allgemein

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